"Es ist ein sehr guter Zeitpunkt, um Dekarbonisierungsmaßnahmen zeitnah umzusetzen"


21.03.2024 von Konstantin Köhler

Portfolios nachhaltig zu transformieren, ist einfacher geworden: Ein Gespräch mit der technisch-wirtschaftlichen Immobilienberatung BRAND BERGER aus München.

Martin B. Berger ist Gründer und Inhaber des Beratungsunternehmens BRAND BERGER (2015). Er hat Bauingenieurwesen in München studiert, arbeitete für Kaiser Baucontrol und war bei Drees & Sommer für den Aufbau der Immobilienberatung am Standort München verantwortlich. Martin ist Immobilienmanager (ebs), Sachverständiger für Energieeffizienz von Gebäuden (TU Dresden) und DGNB-Auditor.

Felix Sacksen, Head of Project Management and Controlling, hat Architektur studiert, war Projektmanager bei der Preuss GmbH und Projektleiter bei Hitzler Ingenieure. Seit 2018 ist Felix bei BRAND BERGER tätig. Felix ist zusätzlich ESG-Manager (DGNB).

Welche politischen Regulierungen oder auch ökonomischen Zwänge führen aktuell am meisten dazu, sich um die Energieeffizienz und Klimaneutralität von Gebäuden zu kümmern?

Felix Sacksen: Die Offenlegungsverordnung mit EU-Taxonomie, der CRREM-Pfad und auch das CO2-Kostenaufteilungsgesetz verbunden mit hohen Energiekosten haben unsere Kunden im vergangenen Jahr am meisten beschäftigt. Das prognostizieren wir auch für 2024. Und dann kommen noch die Sanierungsvorgaben der EPBD und MEPS, also Minimum Energy Performance Standards.

2023 war unser erstes Jahr, in dem jede einzelne technische Due-Diligence mit einen ESG-Teil durchgeführt wurde. Dies zeigt deutlich, dass sich alle Markteilnehmer intensiv damit befassen.

Wie geht ihr vor, um einen Dekarbonisierungsfahrplan für ein Gebäude oder Portfolio aufzustellen?

Martin Berger: Voraussetzung für jede Analyse ist eine gute Datenbasis, denn Annahmen führen zwangsläufig zu Unsicherheiten. Energieverbrauchswerte der letzten drei Jahre und eine vollständige Dokumentation zum Gebäude inklusive Angaben zu bereits durchgeführten energetischen Sanierungen bilden die Grundlage, gegebenenfalls ergänzt durch eine Begehung, insbesondere bei älteren und komplexen Bestandsgebäuden.

Wenn die Datengrundlage geschaffen ist, wenden wir unser hausintern erweitertes CRREM-Tool an, ermitteln den Stranding-Zeitpunkt für Emissionen und Energie und entwickeln dann objektspezifische Maßnahmen und Umsetzungszeitpunkte. Diese hängen immer von der jeweiligen Immobilie und ihren charakteristischen Eigenschaften sowie deren Zustand ab.

Worin bestehen bei der Planung und Kalkulation von Maßnahmen als auch bei deren Umsetzung die größten Hürden?

Felix Sacksen: Neben der häufig bestehenden Datenlücke war die Verfügbarkeit von Fachfirmen, egal ob Planung oder Umsetzung, in den letzten Jahren eines der größten Hindernisse. 2023 wurde es etwas leichter und wir gehen 2024 von einer weiteren Verbesserung aus. Ebenso stellen wir fest, dass Kostenschätzungen und -berechnungen wieder näher an den tatsächlich eingehenden Angeboten ausführender Firmen liegen. Es lässt sich also wieder verlässlich kalkulieren, welche Kosten für Maßnahmen zu erwarten sind.

Außerdem ist die Terminsicherheit etwas höher und Genehmigungszeiträume sind aktuell besser planbar. Deshalb ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, um Maßnahmen zeitnah umzusetzen. Denn technologisch ist so ziemlich alles lösbar.

Wie stark unterscheiden sich Klimaschutzfahrpläne von Gebäude zu Gebäude?

Felix Sacksen: Mit einem Wort: Drastisch. Von bereits gestrandeten Objekten bis hin zu betrieblich klimaneutralen Gebäuden ist alles dabei. Maßnahmen sind daher ebenfalls äußerst unterschiedlich: Ein hydraulischer Abgleich des Heizsystems ist eine Standardmaßnahme, individuelle Maßnahmen wie zum Beispiel PV-Anlagen, Umstellung der Energieversorgung oder eine Dachdämmung müssen sorgfältig geplant und begleitet werden.

Leicht umsetzbar ist dagegen der Einsatz prädiktiver Steuer- und Regelungstechnik für Heizung, Lüftung, Kühlung – über die smarte Steuerung lassen sich einfache Gewinne sehr leicht mitnehmen, ohne dabei bauliche Maßnahmen zu beeinflussen.

Der Druck, Portfolios nachhaltig zu transformieren, ist in den letzten Jahren gewachsen. Ist es andererseits womöglich etwas einfacher geworden, dies zu tun, weil sich Tools, Prozesse und Strategien etabliert haben und sich Dienstleister auf Nachhaltigkeitsthemen in der Immobilienbranche spezialisieren?

Martin Berger: Definitiv ja. Wir können mittlerweile komplexe und große Portfolios deutlich zügiger bearbeiten als noch vor zwei Jahren. Gerade 2023 hatten wir diverse Portfolios in der Bearbeitung, von 7 bis 270 Objekte. Hilfreich ist auch die signifikant ansteigende Lernkurve aller Beteiligten, insbesondere bei Auftraggebern mit einer ESG-Strategie – das wachsende Wissen und die Digitalisierung von Immobilien vereinfacht alle Prozesse und damit auch die Zielerreichung.

Was kann ein Beratungsunternehmen wie eures leisten, was Immobilienunternehmen selbst nicht können?

Martin Berger: Unser Fokus liegt auf der individuellen und ganzheitlichen Beratung, insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit in Verbindung mit Immobilienökonomie. Mit den von uns selbst entwickelten Tools, zum Beispiel zu CRREM (Erweiterung), EU-Taxonomie und Klimarisikoanalyse oder ESG-Property-Assessment, können wir unseren Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten.

Durch unsere langjährigen Erfahrungen im Bereich Technische Due Diligence und Projektmanagement können wir jederzeit auch in die Umsetzung geeigneter Maßnahmen einsteigen.

Was könnt ihr Immobilienunternehmen generell mit auf den Weg geben, um die Transformation erfolgreich zu meistern?

Martin Berger: Wichtig ist: einfach machen!

Wir alle müssen nicht nur wollen, sondern in die Umsetzung kommen. Und dabei geht es nicht nur um Regulatorik und Emissionen oder Technologie, sondern um langfristigen Werterhalt von Immobilien. Wenn wir die Immobilienwirtschaft nicht nachhaltig umkrempeln, werden Gebäude deutlich an Wert verlieren und damit Wirtschaft und Wohlstand gefährden. Also: auf geht’s!

Konstantin Köhler war viele Jahre Journalist und Corporate Writer für Technikthemen. Der erfahrene Content-Spezialist ist bei Recogizer verantwortlich für Kommunikation & Marketing. Sein Anliegen: Authentische und hilfreiche Informationen liefern und komplexe Themen verständlich machen.

Konstantin Köhler | Head of Communications


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